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Kängurus springen ein

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Frauen helfen Frauen in der ersten Zeit mit dem kleinen Kind

Schon mal gehört? Eine Mama und ein Neugeborenes allein zuhause. Ein Partner, der arbeitet und Freundinnen, die ihrem eigenen Alltag nachgehen. Großeltern, die weit weg wohnen. Vielleicht ein älteres Geschwisterkind, das seine eigenen Bedürfnisse hat. Einmal duschen, staubsaugen oder einen Anruf erledigen, gehören dann zu den wirklich herausfordernden Projekten einer Mutter, die nur in Ausnahmefällen gelingen. Die gute Nachricht ist aber - es gibt Abhilfe, denn in dieser Situation können die Kängurus einspringen: sie begleiten ehrenamtlich Familien mit Kindern im ersten Lebensjahr, denen eigene Netzwerke fehlen.

Sophie Gerig, 34 Jahre alt und Sozialpädagogin, ist beim Diakonischen Werk Steglitz und Teltow-Zehlendorf für das Projekt Känguru angestellt und auf der Suche nach Menschen, die als Känguru tätig werden möchten.

 

Liebe Frau Gerig, Sie sind seit kurzem Regionalkoordinatorin für das Projekt Känguru im Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Wieso Känguru?

Eine Känguru-Mutter trägt ihr Kind bis zu 10 Monate in ihrem Beutel mit sich – ein geschützter Raum, in dem das Junge sich entwickeln kann. Die Ehrenamtlichen des Känguru-Projektes stehen einer jungen Familie in ähnlicher Weise bis zu einem Jahr zur Seite.
Es ist eine wirklich schöne Aufgabe - man darf in diesen besonderen, zarten und beschützten Raum einer jungen Familie eintreten und kann vorübergehend an ihrem Leben teilnehmen.

Was genau machen denn die Kängurus?

Sie besuchen eine Familie einmal pro Woche für ca. zwei bis drei Stunden. Entweder hütet die Ehrenamtliche den Säugling während die Mutter eigene Dinge erledigt, oder aber sie verbringt Zeit mit dem oder den älteren Kindern, damit sich die Mutter dem Neugeborenen widmen kann. Die genaue Art der Hilfe wird dabei zwischen den Ehrenamtlichen und der Familie individuell gestaltet. Es kann auch einfach bedeuten, mal ein offenes Ohr für die Eltern zu haben.

Und was sind die Voraussetzungen für dieses Ehrenamt?

Freude an der Aufgabe natürlich, zeitliche Flexibilität wäre gut und die Bereitschaft, aufgeschlossen in ein Familiensystem hineinzugehen und es nicht nach eigenen Vorstellungen umformen zu wollen. Auf der anderen Seite auch die Fähigkeit, sich abzugrenzen und kein Spielball zwischen Familienmitgliedern zu werden. Um das auszutarieren, haben wir monatliche Teamsitzungen der Ehrenamtlichen mit Austausch und fachlichen Informationen. Dazu kommen mehrere Seminare im Jahr, zum Beispiel zur Ersten Hilfe am Kind oder zu psychischen Erscheinungen bei Müttern nach der Geburt, zu Kommunikation und auch zum Abschiednehmen. Was nicht immer gelingt, manchmal werden auch langfristige Beziehungen und Freundschaften aufgebaut. Wenn uns dann eine Ehrenamtliche verlorengeht, ist das trotzdem schön, weil ein wichtiges Ziel erreicht wurde, nämlich soziale Netzwerke aufbauen.

Verstehe ich das richtig, dass Sie eher auf der Suche nach weiblichen Ehrenamtlichen sind?

Gerne können sich auch Männer bei uns melden, sie sind aber aus der Erfahrung schwerer zu vermitteln. Diese Begleitung in einer besonderen Lebensphase ist eher eine Hilfe von Frauen für Frauen. Unsere Ehrenamtlichen sind daher in der Regel weiblich und zu etwa 70 Prozent Rentnerinnen, es gibt aber auch Studentinnen, zum Beispiel der Kleinkindpädagogik, für die so eine Begleitung sehr lehrreich sein kann.

Und wie wird man zum Känguru?

Melden Sie sich gerne bei mir. In einem ersten Kennenlerntreffen erfrage ich die Motivation der Ehrenamtlichen. Zum Beispiel sagte eine Großmutter mit drei eigenen Enkeln „das hätte ich damals auch dringend gebraucht“ und unterstützt eine weitere Familie. Oder es gibt besondere Kompetenzen wie Sprachkenntnisse – vor kurzem hatte ich eine frisch aus Frankreich zugezogene Mutter zu vermitteln. Wir sprechen auch über unsere Verhaltensampel am Beispiel verschiedener Situationen. Wenn jemand sagt: „Meine Mutter hat mir damals immer reingeredet, das mache ich auf keinen Fall“, weiß ich, dass der Ansatz stimmt. Außerdem gibt das Gespräch Aufschluss über Wesen und Temperament der Ehrenamtlichen, denn die Persönlichkeiten müssen ja zusammenpassen. Wenn wir dann zusammenarbeiten wollen, muss das Schutzkonzept je einmal für das Projekt Känguru und für den Träger, das Diakonisches Werk unterschrieben werden. Ein erweitertes Führungszeugnis muss vorgelegt werden und dann geht es in die Vermittlung. Zurzeit stehen fünf Anfragen aus Familien drei Ehrenamtlichen gegenüber – ich bin sicher da muss mehr möglich sein, es ist einfach so eine schöne Aufgabe. Übrigens sind die Ehrenamtlichen bei uns natürlich unfall- und haftpflichtversichert.

Haben Sie ein Beispiel für eine Familie, die begleitet wurde?

Tatsächlich konnte ich vor kurzem mit einer Mutter sprechen, die nach über einem Jahr immer noch von der ehemaligen Ehrenamtlichen begleitet wird und sehr froh darüber ist. Sie sagte, dass es nach der Geburt ihres dritten Kindes sehr schwierig gewesen sei, den anderen gerecht zu werden. Die Ehrenamtliche hätte zu Beginn die Älteste zum Theaterkurs begleitet, den sie sonst nicht mehr hätte besuchen können. Mit dem Zweiten sei sie dann gerne zum Eltern-Kind-Turnen gegangen. Und auch wenn sie nur mal ein Buch mit ihm in seinem Zimmer gelesen hätte, sei das schon unglaublich hilfreich gewesen. Die Mutter hat es als totale Erleichterung empfunden, dass ihr jemand ab und zu ein bisschen Luft am Nachmittag verschaffte.

Zum Hintergrund:

Das Projekt Känguru gehört zu den gesetzlich verankerten ‚Frühen Hilfen‘. Das Projekt Känguru existiert schon seit über 15 Jahren in Berlin in Trägerschaft der Diakonie. Bisher war es rein spendenfinanziert, eine Senatsförderung ermöglicht nun eine bessere personelle Ausstattung und damit mehr Hilfe und Unterstützung für Familien.

ubo

Letzte Änderung am: 19.06.2023