Der Friedhof – eine Kiezangelegenheit

Klaus Böhl geht in den Ruhestand

Er hat einige Semester Politologie und Publizistik studiert, war Hausmeister, Hausvater, Zentralküster und stand die letzten 11 Jahre den evangelischen Friedhöfen in Lankwitz vor: Klaus Böhls Geschichte in und mit Lankwitz umfasst ganze 35 Berufsjahre. Am 30. September 2023  geht der Mann in den Ruhestand, der sich als Multi-Dilettant bezeichnet und in jede seiner Tätigkeiten viel Herzblut fließen ließ.
 

Haus- und Kirchwart

Aufgewachsen ist Klaus Böhl mitten Berlin, was zu der Zeit am Rand war – im Arbeiterbezirk Kreuzberg unweit der Mauer. In den 1980er Jahren hatte sich dort diese ganz eigene Bevölkerungsmischung entwickelt aus indigenen Berlinern, türkischen Gastarbeitern, wie sie damals genannt wurden und Studenten. „Es waren politisch unruhige Zeiten und schon da ging es los mit der Gentrifizierung“, sagt Böhl, dessen kirchliches Zuhause die Tabor-Gemeinde war. In der benachbarten Ölberg-Gemeinde war er drei Jahre Haus- und Kirchwart und musste auch einmal zwischen Hausbesetzern, Polizisten und Feuerwehrleuten moderieren.

Herbergsvater Jugendgästehaus

Bis 1988 dann Schluss war mit Kreuzberg: Klaus Böhl bewarb sich mit seiner Ehefrau Sybille als Herbergseltern des kirchlichen Jugendgästehauses auf dem damals großen grünen Gelände der Paul-Schneider-Gemeinde in Lankwitz. Das als Begegnungsstätte zwischen Jugendlichen aus Ost und West geplante Gebäude war just zum Mauerbau im August 1961 eröffnet und dann für die politische Bildung von Schulklassen und Konfigruppen aus dem Westen Deutschlands genutzt worden. Es zeigte sich, dass der Mauerbau nur der erste von mehreren Wechselfällen der Geschichte in der Bestimmung des Gebäudes war. „Wir waren blauäugig, als wir uns zutrauten, dieses Haus zu führen“, sagt Klaus Böhl. Nicht nur hatte es Ende der 80er noch den baulichen Charme der beginnenden 60er Jahre – es musste auch kostendeckend gearbeitet werden, was mit den vorgesehenen Plätzen gar nicht möglich war. Überbelegung war an der Tagesordnung. Und dann kam auch schon der Mauerfall 1989. Zwar wurde das Haus weiter für Jugendgruppen genutzt, aber das Interesse ließ nach und es brauchte eine neue Ausrichtung. Die ließ nicht lange auf sich warten: „An einem Freitag im April 1992 verabschiedeten wir die letzte Schulklasse, um am Montag darauf die ersten Flüchtlinge aus dem Kosovo zu empfangen“, erzählt Klaus Böhl.

Herbergsvater Flüchtlingsunterkunft

Es war eine völlig neue Situation: Die Ämter, überfordert mit den zunächst ankommenden Männern, verlangten, dass die Flüchtlinge voll verpflegt werden. Die Böhls engagierten eine türkische Mitarbeiterin aus Kreuzberg, um bei der Betreuung der ankommenden Muslime zu helfen und setzten schließlich durch, dass die Flüchtenden Geld für die Selbstversorgung erhielten. Als dann Familien mit Kindern kamen, genügte das Gebäude endgültig nicht mehr den Ansprüchen: der bauliche Zustand von 1961 plus 30 Jahre Nutzung durch Jugendliche hatte Spuren hinterlassen. Umbau war nötig und umgebaut wurde: Gemeinsam mit den handwerklich begabten Bewohnern, unter Aufsicht eines Kreuzberger Elektromeisters und anderer engagierter Profis aus dem Baugewerbe wurde – teils bis zu 12 Stunden täglich – gearbeitet. Bis zur völligen Erschöpfung, aber auch mit sehr guten Erinnerungen. „Es war eine tolle und erfüllte Zeit, immer mit der Rohrzange auf dem Schreibtisch“, erzählt Böhl. „Ich habe dadurch unter anderem einen super Schwiegersohn gewonnen und jetzt Kontakte in alle Welt.“ Nach 2002 wurde noch eine kleine Gruppe von alten Alleinstehenden weiterbetreut, dann wurde es Zeit für Klaus Böhls nächste berufliche Station.

Küster und Zentralküster

Küster und Hausmeister der Paul-Schneider-Gemeinde hieß diese. Klaus Böhl konnte bald seinen Aufbau- und Gestaltungssinn noch optimaler einsetzen, als die Stelle eines Lankwitzer Zentralküsters zu besetzen war. In einem mehrjährigen Organisationsentwicklungsprozess sorgte er dafür, dass die Gemeindebüros aller vier Lankwitzer Gemeinden in gleicher Weise arbeiten. „Auch diese Zeit hat mir Spaß gemacht, sagt er, „ich lernte alle Mitarbeitenden der Gemeinden kennen und konnte in der Zusammenarbeit das veraltete System des Gemeindebüros weiterentwickeln.“
Bis, ja bis schließlich eine neue Leitung für die Lankwitzer Friedhöfe gesucht wurde – wieder eine dem Klaus Böhl auf den Leib geschneiderte Aufgabe. Auch hier gab es Bedarf an neuen Arbeitsstrukturen inklusive eines moderneren Leitungsstils mit mehr Eigenverantwortung der Mitarbeitenden. 2012 wurde Böhl also Friedhofsverwalter mit 11 Mitarbeitenden, zwei in der Verwaltung und neun im „Außendienst“.

Friedhofsverwalter

„Ein kirchlicher Friedhof ist anders, unsere Haltung ist die der Nächstenliebe und das Bestattungswesen ist nicht in erster Linie ein Geschäft“, sagt er, „das macht einen Unterschied.“ Mit einer Idee räumt er allerdings gleich auf: „Für uns ist es nie ruhig. Friedhöfe gehören wieder auf Gemeindegelände - so viel Trubel, wie auf dem Friedhof, gibt es in der Küsterei nicht“ sagt er. Der Friedhof sei natürlich zunächst für die Trauernden da, sie bräuchten diese spezielle Atmosphäre. Aber er würde eben auch als Naherholungsgebiet genutzt von Joggern, Menschen, die die Abkürzung für den Einkauf nutzten oder ihre Hunde ausführten. Das führe zu Konflikten. Eine seiner Aufgaben sei die Moderation der verschiedenen Gruppen, zu denen auch die Nachbarn gehörten, die das rüberwachsende Unkraut fürchten und das häufige Glockengeläut ertragen müssen. „So ein Friedhof ist eben eine Kiez-Angelegenheit und nicht selten werden aus Konfliktgesprächen seelsorgerliche“, sagt Klaus Böhl.

Das Bestattungswesen ist allerdings immer noch die Hauptaufgabe. Böhl berät die Angehörigen und geht mit allen zur Grabstelle, erläutert die Regeln, schreibt
Kostenangebote, klärt den Rahmen der Trauerfeier. Manche Kunden übernehmen sich und können die Grabpflege weder selbst ausführen, noch zahlen. Das versucht er durch Beratung zu vermeiden. Und wenn’s gar nicht klappt, müssen auch schon mal böse Briefe geschrieben werden.

Dieser Spagat von der Arbeit mit Menschen über die Betreuung des Gebäudebestands und der Technik bis zur Betriebswirtschaft ist das, was Klaus Böhl liebt und kann. Einmal allerdings war echt Krisenstimmung, als vor fünf Jahren die Halle mit den Fahrzeugen, Schläuchen und Werkzeugen angezündet wurde und alles verbrannte. Aber auch das wurde überwunden und der pyromanische Täter gefasst.
Was ihm heute wirklich Sorgen macht, ist der Klimawandel mit seinen Auswirkungen auf den Baumbestand. „Ich lasse nicht mehr an Bäumen bestatten, das belastet sie zu sehr, sie sind schon genug gestresst“, sagt er. Es müsse ökologisch gedacht und die Bepflanzung nach und nach dem Klimawandel angepasst werden. Das sei eine große und nicht einfache Aufgabe für seine Nachfolge, zumal die Friedhofserde nicht von einheitlicher Qualität sei und es noch zu wenig Erfahrungswerte gäb.

Blick zurück und voraus

Auf seinen Berufsweg als Multi-Dilettant blickt Klaus Böhl froh und zufrieden zurück. Dass er keine spezialisierte Ausbildung hatte, empfindet er als Vorteil und seine Geschichte gibt ihm recht. Er freut sich nun auf gemeinsame Zeit mit seiner Frau, die schon länger im Ruhestand ist, und natürlich auf Zeit mit seinen Enkeln, die bereits ihre Ansprüche angemeldet haben.

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