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Stolpersteinverlegungen im August

 

Zwei Stolpersteine in Steglitz am 27. August

Am Freitag, den 27. August 2021 um 9 Uhr verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig zwei Stolpersteine für Bertha Carsch und ihre Tochter Gertrud in der Plantagenstraße 4, 12169 Berlin.
Dr. Petra Fritsche recherchierte die Biografien der beiden Frauen. Sie gehört zur Friedenauer Stolpersteininitiative und arbeitet mit im Netzwerk Erinnerungskultur des Kirchenkreises Steglitz.

Bertha Carsch wurde am 14. Juni 1876 in Emmerich am Niederrhein geboren. Ihre Eltern waren der Lehrer Jacob Carsch und seine Frau Julie, geborene Rhé.

Bertha zog nach Berlin und blieb ledig. Am 25. August 1911 wurde ihre Tochter Gertrud geboren und am 24. Januar 1916 der Sohn Hans. Bertha war bei den Geburten bereits 35 bzw. 39 Jahre alt.

Ab 1921 lebte sie in Steglitz in der Plantagenstraße 4 in einer Ein-Zimmer-Wohnung mit Küche, Kammer und Stall. Die Miete betrug 29 Reichsmark. 1939 lebte sie dort mit ihrer Tochter Gertrud, die Haushaltshilfe war. Der Sohn Hans war geflohen.

Kurz vor ihrer Deportation musste Bertha die Vermögenserklärung ausfüllen. Ihre Tochter Gertrud tat es für sie und unterschrieb auch für ihre Mutter. Sie gibt an, dass sie für ihren Lebensunterhalt und den ihrer Mutter allein aufkomme. Sie selbst bezeichnet sich als „Mischling 1. Grades“, was bedeutet, dass ihr Vater nichtjüdisch war.

Sie schreibt auch, dass ihr Bruder, den sie in dem 16-seitigen Formular mehrfach Hansi nennt, wahrscheinlich in England lebe.

Bertha Carsch wurde am 5. August 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 27. Januar 1943 ermordet wurde. Die offizielle Todesursache war Herzschlag.

Bertha hatte 9 Geschwister. Vier von ihnen sind bereits im Kindesalter gestorben.

Die Geschwister Helene, Max, Leopold und Johanna wurden in Konzentrationslagern ermordet, nur Emma überlebte.

Nach Berthas Deportation musste die Tochter Gertrud aus der Plantagenstraße ausziehen und nach Wilmersdorf in die Berliner Straße 159 ziehen. Dort beging sie am 13. Mai 1943 Suizid. Sie starb an einer Gasvergiftung. Sie floh in den Tod vier Monate, nachdem ihre Mutter in Theresienstadt starb. Gertrud wusste das wahrscheinlich nicht.

Nachtrag:

Nachdem Mutter und Tochter nicht mehr in der Wohnung lebten, verlangte der Hausverwalter für die nun leere „Judenwohnung“ für den Monat September noch die Miete, die er auch vom Finanzamt erhielt. Im Oktober stellt ein Beamter der Finanzverwaltung fest, dass in der Einzimmerwohnung nichts vorgefunden wurde, das man hätte bewerten können. Er rechnet dafür eine Gebühr von 2,55 RM ab. Geschlossen wird die Akte zu den nicht vorhandenen Vermögenswerten der ermordeten Bertha Carsch am 10. April 1945.

Dr. Petra Fritsche

 

Letzte Änderung am: 03.09.2021