Stolpersteinverlegungen im Dezember 2017

Weitere Stolpersteine vor ehemaligem jüdischen Blindenwohnheim

Am Samstag, dem 2. Dezember 2017 um 15.10 Uhr verlegt der Künstler Gunter Demnig zehn weitere Stolpersteine vor dem ehemaligen jüdischen Blindenheim, Wrangelstraße 6–7, 12165 Berlin. Es werden dann 21 Steine sein, 6 weitere folgen.

1909 wurde der „Verein Jüdische Blindenanstalt“ gegründet. Unterhalten wurde das Heim von Mitgliederbeiträgen, Spenden und Vermächtnissen wohlhabender Juden. Hier wohnten und arbeiteten ständig etwa dreißig blinde und auch gehörlose, zum großen Teil bedürftige jüdische Frauen und Männer.

Im Herbst 1941 übernahm das Reichssicherheitshauptamt das Haus in der Wrangelstraße. Am 19. November 1941 mussten die Bewohnerinnen und Bewohner das Heim verlassen. Sie wurden in der „Israelitischen Taubstummenanstalt“ in Weißensee untergebracht. Das war eine Sammelstelle für vertriebene jüdische Bewohner aus anderen Einrichtungen. Von dort wurden alle Bewohner, die aus dem Heim in der Wrangelstraße ausziehen mussten, deportiert und ermordet.

Sechzehn Bewohner und Bewohnerinnen wurden gemeinsam am 14. September 1942 nach Theresienstadt deportiert – zusammen mit der Leiterin des Blindenheims, Betty Katz. Von ihr und von den neun weiteren Opfern, derer die Steine gedenken, wird bei der Gedenkfeier erzählt. Diese findet im Gartenhaus des ehemaligen Blindenheims mit Gesprächen bei Kaffee und kalten Getränken statt.

Angelika Hermes, Petra T. Fritsche

Die 10 Stolpersteine sind für:

Henriette Breitbarth

GEB. SCHINDLER
JG. 1883
DEPORTIERT 3.10.1942
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET

Georg Camnitzer

JG. 1894
DEPORTIERT 14.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 15.4.1943

Richard Alfred Flichter

JG. 1904
DEPORTIERT 2.3.1943
ERMORDET IN AUSCHWITZ

Richard Alfred Flichter kam am 25. März 1904 in Oppeln in einer jüdischen Familie zur Welt. Über seinen Lebensweg wissen wir nichts, erst 1931 wurde er im Jüdischen Adressbuch von Berlin erwähnt als Bewohner des Jüdischen Blindenheims in Steglitz in der Wrangelstraße 6/7; am 17. Mai 1939 verzeichnet ihn dort auch die Volkszählung.

Im Herbst 1941 wurden die meisten seiner Mitbewohner in das Jüdische Blinden- und Taubstummenheim nach Weißensee in die Parkstraße 22 verlegt. Ob Richard Flichter  ebenfalls dorthin ziehen musste oder ob er einen anderen Weg einschlug, ist nicht eindeutig zu ermitteln. Für letzteres spricht, dass er am 2. März 1943 aus der Chodowieckistraße in Prenzlauer Berg in das KZ Auschwitz deportiert wurde. Auf der Deportationsliste von Richard Alfred Flichter steht als letzte Adresse Chodowieckistraße 1. Als die Vermögensverwertungsstelle dort nach verbliebenem Vermögen suchte, stellte sie fest, dass er dort nicht gewohnt hatte. Auf der Karteikarte der Vermögensverwertungsstelle ist die Anschrift Chodowieckistraße 1 handschriftlich korrigiert in “29“.

Am 11. November 1943 wurden an die Oberfinanzkasse 10,47 Reichsmark aus dem „Vermögen“ Richard Flichters eingezahlt. Das war acht Monate nach dessen Deportation.

Der 32. Osttransport kam  im KZ Auschwitz am 4. März 1943 an, von den 1750 Personen des Transports wurden 1033 Menschen sofort in den Gaskammern getötet.

Quellen:
GB
BLHA (KK)
BA 9440
Telefonbuch Berlin
Danuta Czech, Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939 1945
Jüdisches Adressbuch von Berlin

Recherche und Text: Angelika Hermes, Petra T. Fritsche, Oktober 2017

Adolf Abraham Heustein

JG. 1874
DEPORTIERT 16.7.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 31.7.1943

Betty Katz

GEB. FALK
JG. 1872
DEPORTIERT 14.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 6.6.1944

 

Betty Falk wurde am 21. August 1872 in Posen geboren. Ihre Eltern waren Felix und Agnes Falk. Sie studierte und wurde Lehrerin für höhere und mittlere Schulen. Betty Falk heirate Leopold Katz. Sie hatten zwei Söhne. Einer der Söhne starb 1918 im Krieg in Mazedonien. Ihr Sohn Lothar wurde am 29.2.1896 in Rybnik in Oberschlesien, Polen, geboren. Der Ehemann Leopold starb im Oktober 1926.

Betty Katz zog vermutlich nach dem Tod des Ehemanns nach Berlin. Hier arbeitete sie als Direktorin des Jüdischen Blindenheims in Berlin Steglitz in der Wrangelstraße. Hier wohnten und arbeiteten ständig etwa dreißig blinde und auch gehörlose zum großen Teil bedürftige jüdische Frauen und Männer. 1928 wurde das Haus umgebaut und aufgestockt und bot bis zu 50 Personen Platz, inclusive elf Personen Personal. Hinzu kamen ehrenamtlich Arbeitende, wie Ärzte und gesellschaftliche Betreuer. Im Haus befand sich eine Bürstenbinderei, später auch Korb- und Stuhlflechterei. Es fand Unterricht in Blindenschrift statt, auch gab es einen Betsaal.

Alle Bewohner des Blindenheims mussten am 15. November 1941 zunächst in das sogenannte „Jüdische Blinden- und Taubstummenwohnheim“ in Berlin Weißensee in der Parkstraße umziehen. Von dort wurden sechzehn von ihnen am 14. September 1942 nach Theresienstadt deportiert – zusammen mit der Leiterin des Blindenheims, Betty Katz.

Unter den 1000 Deportierten des zweiten "großen" Berliner Alterstransports befanden sich insgesamt 82 Bewohner dieser Anstalt, die zu einer Sammelstelle für Menschen aus anderen jüdischen Einrichtungen geworden war.

Betty Katz ist in Theresienstadt am 6. Juni 1944 gestorben. Zu dieser Zeit waren alle sechzehn Bewohner und Bewohnerinnen des Blindenheims, mit denen sie gemeinsam deportiert worden war, bereits ermordet worden.

Am 9. September 1942 musste Betty Katz einen Heimeinkaufsvertrag über 32.578,45 RM abschließen; das war fünf Tage vor ihrer Deportation! Es war exakt der Betrag, den Betty Katz in Hypotheken und Wertpapieren besessen hatte. Zuvor hatte sie bereits eine sog. Judenvermögensabgabe in Höhe von 9.750 RM zahlen müssen.

Der Sohn Lothar konnte emigrieren und lebte als promovierter Arzt in Freeport auf Long Island. Bereits am 4. Mai 1945 ließ er eine Suchanzeige nach seiner Mutter in die Zeitung Aufbau setzen, eine deutsch-jüdische Zeitung, die in New York erschien. Da wusste er noch nicht, dass sie in Theresienstadt ermordet worden war.

Lothar hatte einen Sohn Peter, der mit seiner Frau Marion in Nashville, Tennessee, lebte. In der Nashville Holocaust Gedenkstätte würdigte er seine Großmutter mit folgenden Worten: „Sie wurde sehr geliebt und sie sorgte dafür, dass ihr Sohn ein Visum für Amerika erhielt. Betty Katz starb in Theresienstadt; ihr Enkel Peter kannte sie gut und erinnert sich an sie als einen wundervollen Menschen.“

Mitte der fünfziger Jahre machte Lothar Entschädigungsansprüche geltend. Er reichte ein Attest eines New Yorker Arztes ein, nach welchem er zu 60% erwerbsgemindert war (28.4.54) und stellte einen Dringlichkeitsantrag bezüglich der Rückerstattung aus dem Heimeinkaufsvertrag, den Betty hatte abschließen müssen über 32.578,45 RM sowie die Judenvermögensabgabe in Höhe von 9.750 RM. Die beiden Beträge wurden mit 7.000 DM entschädigt.

Quellen:
Jüdisches Adressbuch
Gedenkbuch, Bundesarchiv
Brandenburgisches Landeshauptarchiv
Entschädigungsamt
Zeitschrift Aufbau
Nashville Holocaust Memorial

Recherche und Text: Angelika Hermes, Petra T. Fritsche, Oktober 17

Mit den sogenannten Heimeinkaufsverträgen wurde älteren Juden eine lebenslange Unterbringung in einem jüdischen Altersheim sowie Krankenversorgung zugesichert. Hierzu wurde nach der Wannseekonferenz 1942 das „Altersghetto“ Theresienstadt vorgesehen. Die Verträge mussten auf Veranlassung der Gestapo mit der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland abgeschlossen werden. Diese Vereinigung war auf Weisung des Reichssicherheitshauptamts (RSHA) für die Organisation der jüdischen Wohlfahrtspflege zuständig. Sie betrieb 1941 insgesamt 150 Altersheime. Durch erzwungene Hausverkäufe und Ausgabenkürzungen wurde die Situation der Juden in diesen Altenheimen immer schlechter; schließlich mussten alle Insassen Heimeinkaufsverträge unterschreiben, nach denen die Bewohner verpflichtet wurden, den Unterhalt mittelloser Mitbewohner mitzufinanzieren. Bei Neueinzug mussten mindestens 11.000 RM aufgebracht werden. Die Summe wurde an die Reichsvereinigung bar oder in Wertpapieren gezahlt. Die ersten Alterstransporte nach Theresienstadt wurden im September 1941 aufgenommen. Mit den Heimeinkaufsverträgen wurde den Menschen suggeriert, dass sie im Alter zwar umgesiedelt würden, jedoch ein relativ angenehmes Zuhause erhielten. So wurden pro Monat 150 RM an Vorauszahlung berechnet und eine Alterserwartung von 85 Jahren zu Grunde gelegt. Tatsächlich wendete das RSHA pro Person monatlich 11,13 RM auf. Sechs Wochen nach Ankunft in Theresienstadt waren bereits ein Viertel der alten Menschen an Entkräftung, Mangelernährung oder aufgrund fehlender Hygiene gestorben. Es wurden 42.000 deutsche Juden nach Theresienstadt deportiert. 20.000 sind dort gestorben; 16.000 Menschen wurden weiter nach Auschwitz transportiert und sind dort ermordet worden. Die Heimeinkaufsverträge brachten dem RSHA etwa 125 Millionen RM ein; die Reichsvereinigung wurde im Juni 1943 aufgelöst, der von ihr verwaltete Besitz ging an das RSHA.

Die weiteren eingezogenen Vermögenswerte in Höhe von etwa 275 Millionen RM, die diesen Juden vor ihrer Deportation nach Theresienstadt geraubt wurden, erhielt das Reichsfinanzministerium.

Alice Kirschstein

GEB. SCHEIDT
JG. 1878
GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET
FLUCHT IN DEN TOD
7.9.1942

Martha Pariser

JG. 1880
DEPORTIERT 14.9.1942
THERESIENSTADT
1944 AUSCHWITZ
ERMORDET DEZ 1944

Max Pek

JG. 1910
DEPORTIERT 15.8.1942
RIGA
ERMORDET 18.8.1942

Anna Weissenberg

GEB. DAVIDSOHN
JG. 1875
DEPORTIERT 14.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 23.4.1943

Rudolf Witkowski

JG. 1886
DEPORTIERT 14.9.1942
THERESIENSTADT
ERMORDET 4.2.1943

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