Stolpersteinverlegungen im Juni 2023

Stolpersteinverlegung im Juni in Lichterfelde-Ost

Am Mittwoch, dem 21. Juni 2023, werden um 10.15 Uhr in der Lorenzstraße 12 in Lichterfelde-Ost für Irene und Frieda Salomon Stolpersteine verlegt.

Schülerinnen und Schüler des Religionsunterrichts der Klasse 6c der „Grundschule unter den Kastanien“ wollen an Irene Salomon und Ihre Mutter Frieda erinnern. Ein Schüler der Klasse 6c ist durch einen Film über die Geschichte des Kinder- und Jugendzentrum Dr. Wolf in der Lichterfelder Geraerstraße darauf aufmerksam geworden, dass Irene 1937 in die Grundschule unter den Kastanien eingeschult wurde, später aber verschwunden sei.

Die Schülerinnen und Schüler haben dies zum Anlass genommen gemeinsam mit ihrer Religionslehrerin Ursula Löcklin nachzuforschen. Unterstützt wurden sie dabei von Frau Dr. Scheidemann, Historikerin und ehrenamtliches Mitglied der Stolpersteininitiative des Kirchenkreises Steglitz. Als die Klasse herausfand, dass Irene und ihre Eltern in Ausschwitz ermordet wurden, haben die Schülerinnen und Schüler beschlossen, über einen Kuchenverkauf in ihrer Schule zwei Stolpersteine zu finanzieren.

Irene Salomon & Frieda Salomon geb. Haas

Frieda Salomon geb. Haas und ihre Tochter Irene lebten in der Zeit zwischen etwa 1934 bis 1940 in der Lorenzstraße 12 in Lichterfelde Ost.

Frieda Salomon wurde als jüngste Tochter des Mitinhabers der Likör- und Essigfabrik Gebrüder Haas, Julius Haas (Jg. 1852), und seiner Frau Jenny geb. Lindner (Jg.1864) am 28.11.1899 in Meiningen/Thüringen geboren und wuchs dort zusammen mit ihren drei älteren Schwestern, das erste Kind der Familie war bereits bei der Geburt verstorben, auf. Nach dem frühen Tod ihres Vaters im Jahr 1906 übernahm die Mutter Jenny zunächst mit ihrem Schwager Arnold Haas die Leitung des Unternehmens, bis sie nach Arnolds Tod 1931 an dessen Sohn übertragen wurde.

Am 14.11.1929 heiratete Frieda in Meinigen den zehn Jahre älteren, aus Berlin stammenden Handelsvertreter Theodor Salomon (geb. 27.11.1889). Der Lebensschwerpunkt des Ehepaares lag spätestens ab diesem Zeitpunkt in Berlin. Dort kam dann auch die Tochter Irene am 2.9.1930 zur Welt. Die junge Familie lebte zu dieser Zeit in Friedenau, unter der Geschäftsadresse des Vaters von Theodor, Gustav Gabriel Salomon (Jg. 1853). Dieser führte seit dem Jahr 1900 einen Handel mit Chemie- und Drogeriewaren in Friedenau, zuletzt in der Schmargendorfer Straße 17.

Nach dem Tod des Vaters im Jahre 1912 führten Theodor und seine Mutter Pauline geb. Marcus (Jg. 1860) das Handelsgeschäft in der Friedenauer Ringstraße 47 (heute Dickhardtstraße) weiter. Auch Frieda Salomon wurde noch unter einer Geschäftsadresse des Familienunternehmens in der Lorenzstraße geführt: Augenscheinlich wohnte Theodor Salomon nicht ständig bei der Familie. Vielmehr wurde er unter einer Adresse in Rostock sowie in Lichterfelde West geführt. Ob die räumliche Trennung deshalb geschah, um eine bessere geschäftliche Grundlage für das Handelsunternehmen zu schaffen oder aus persönlichen Gründen ist unklar.

An Ostern 1937 kam Irene als Schülerin an die 12. Volksschule, heute Grundschule Unter den Kastanien, in Lichterfelde Ost. Es scheint, dass sie zumindest für eine gewisse Zeit noch eine relativ unbeschwerte Zeit verbrachte und zumindest mit einem Mädchen aus der Nachbarschaft Freundschaft schloss.

Bereits im November 1938 musste Irene jedoch als Jüdin die Schule wieder verlassen. Erst ab Ostern 1939 ging sie wieder in eine Schule – die VIII. Private Volksschule der jüdischen Gemeinde zu Berlin in der Joachimsthaler Straße (Joseph Lehmann Schule). Auch diese verließ sie bereits wieder im März 1940. Etwa um diese Zeit wird Frieda Salomon spätestens die Wohnung in der Lorenzstraße aufgegeben haben und mit Irene zu ihrem Mann in die Marschnerstraße 18 gezogen sein. Dort lebten sie in beengten Verhältnissen zusammen mit drei weiteren Personen zur Untermiete. Über die Lebenssituation der Familie zu diesem Zeitpunkt ist nichts bekannt. Fest steht, dass sie spätestens im Sommer 1942 in die Holsteinische Straße 42 in Wilmersdorf umziehen mussten.

Theodor hingegen wurde augenscheinlich von dort aus noch kurzfristig in das Landwerk Neuendorf bei Fürstenwalde verbracht, um Zwangsarbeit zu leisten. Die ursprünglich im Jahr 1932 im Rahmen der Hachschara-Bewegung für jüdische Jugendliche und Erwachsene zur Vorbereitung auf ein Leben in Palästina und eine Ausbildung in landwirtschaftlichen und handwerklichen Berufen gegründete Berufsausbildungsstätte wurde 1941 zu einem Zwangsarbeiter- und Sammellager umgewandelt. Theodor Salomon gehörte somit zu den wenigen Insassen, die im Frühjahr 1943 noch dort lebten und die zuletzt mit dem 37. Osttransport am 19.4.1943 nach Auschwitz deportiert wurden.

Am 12. März 1943 wurde die ganze Familie, Theodor von Neuendorf aus, mit dem 36. Osttransport nach Auschwitz deportiert und dort vermutlich unmittelbar nach der Ankunft ermordet. Ein konkretes Todesdatum für Theodor, Frieda und Irene ist nicht bekannt. Irene wurde gerade einmal 12 Jahre alt.

Recherche und Text: Dr. Christiane Scheidemann

Einladung der Klasse 6c der „Grundschule unter den Kastanien“ zur Stolpersteinverlegung am 21. Juni 2023

Drei Stolpersteine in Lichterfelde und Steglitz-Nord

Am Freitag, dem 23. Juni 2023, verlegt Gunter Demnig um 9 Uhr in der Hartmannstraße 35 in Lichterfelde Stolpersteine für Simon Braun und für Marianne Brach und um 11.30 Uhr in der Kissinger Straße 17 für Richard Goldberg.

Bereits im Jahre 2006 wurde in der Hartmannstraße 35 ein Stolperstein für Edith Braun verlegt. Am 23. Juni werden nun Stolpersteine für Simon Braun, den Ehemann von Edith, und einer für Marianne Brach, der Mutter von Edith hinzukommen. Simon Braun wurde am 27. Mai 1942 in der Villa seiner Schwiegermutter (Mariannenstr. 35) in den Abendstunden festgenommen und am 28. Mai 1942 als Geisel im KZ Sachsenhausen hingerichtet. Ehefrau Edith wurde im selben Zusammenhang am 5. Juni 1942 zuerst nach Theresienstadt und später nach Auschwitz deportiert und in den Tod getrieben. Marianne Brach wurde mit einem Alterstransport am 14. September 1942 ebenfalls nach Theresienstadt deportiert und verstarb dort, aufgrund der Haftbedingungen, am 24. September 1942.

Marianne Miriam Brach geb. Nathan

Marianne Nathan wurde am 13.3.1858 in Berlin geboren. Ihre Eltern Robert und Rosalie waren jüdischen Glaubens. Drei Brüder und eine Schwester gehörten zur Familie. Der Vater war im kaufmännischen Bereich tätig. Da weitere Geschwister in Polen und England geboren wurden ist anzunehmen, dass sich der Wohnsitz der Familie zeitweise im Ausland befunden hatte.

Am 16.12.1886 heiratete Marianne den jüdischen Kursmakler Georg Felix Brach, der am 5.4.1858 in Berlin geboren worden war. Ehemann Georg Felix war ein amtlich bestellter Börsenmakler der u.a. an der Berliner Börse ihm anvertraute Wertpapiere handelte. Seine Geschäftsadresse war in der Burgstraße 26. Als Familiensitz wurde eine Villa in der Annastr. 1 in Berlin-Lichterfelde Ost ausgewählt. Die Familie lebte im Wohlstand und Marianne Brach konnte sich ganz der Haushaltsführung bzw. der Repräsentation widmen. Sechs Kinder wurden in dieser Ehe zwischen 1887 und 1900 geboren. Ehemann Georg Felix war musikbegeistert und es befand sich ein Flügel im Haus, an dem Tochter Edith ihre ersten Übungen spielte und sich in späteren Jahren an diesem Instrument als Sängerin begleiten ließ. Es waren glückliche- und erfolgreiche Jahre für Familie Brach in Lichterfelde-Ost. Die Kinder konnten unbeschwert erwachsen werden, waren beruflich erfolgreich und gründeten eigene Familien. Tochter Edith heiratete 1914 den erfolgreichen Unternehmer Simon Braun.

Am 17. April 1931 verstarb Ehemann Georg Felix Brach. 44 Jahre hatten die Eheleute gemeinsam leben dürfen. Nun kam die große Wende im Leben von Marianne Brach. Mit 63 Jahren wurde sie Witwe. Ehemann Georg Felix hatte für sie gut vorgesorgt. Ein Wertpapierdepot sicherte ihren Lebensabend und sie konnte die Familienvilla weiter bewirtschaften. Bereits nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden diverse Straßennamen auch in der Reichshauptstadt Berlin geändert. Aus der Annastr.1 wurde
Hartmannstr. 35.
Was bis hier hin als natürlicher Lauf des Lebens bezeichnet werden kann, stellt sich in den Folgejahren hingegen als dramatisch dar. Unschuldig wurden Marianne Brach, Tochter Edith und Schwiegersohn Simon Opfer der NS-Täter.

Im Zuge der Reichspogromnacht 1938 wurde Simon Braun und Tochter Edith zum zwangsweisen Verkauf ihres Modegeschäftes und ihrer Familienvilla in der Herwarthstr. 12a genötigt. Im April 1939 zogen sie deswegen mit einem Teil ihres verbliebenen Mobiliars in die Hartmannstr. 35 ein und bewohnten die 1. Etage des Elternhauses von Edith. Zu diesem Zeitpunkt hatten Edith und Simon bereits Vorbereitungen für ihre Emigration getroffen. Zur Emigration kam es nicht mehr. Simon Braun wurde nach dem Brandanschlag der jüdischen Widerstandsgruppe um Herbert Baum (18.5.1942, im Berliner Lustgarten) von den NS-Tätern im Zuge von brutalen Vergeltungsmaßnahmen als eine von vielen weiteren jüdischen Geisel ausgewählt. Am 27.5.1942, gegen 21.00 Uhr, wurde Simon Braun von der Gestapo in der Hartmannstr. 35 festgenommen und am nächsten Tag im KZ-Oranienburg mit vielen anderen jüdischen Geiseln erschossen. Wenig später wurde Ehefrau Edith ebenfalls als Geisel bestimmt und in das Ghetto Theresienstadt am 5.6.1942 deportiert.

Ab November 1941 hatten die NS-Täter begonnen die aus Böhmen und Mären stammenden Menschen jüdischen Glaubens in die ehemalige Festung Theresienstadt zu deportieren. Ab 1942 wurden die Deportationen auf das gesamten Reichsgebiet ausgeweitet. Zunächst wurden nur ältere Menschen mit den Alterstransporten deportiert.

Im September 1942 wurde Marianne Brach auf Anordnung der NS-Täter für den Transport I/65, Zug Da 514, eingeteilt. 1000 Personen fuhren zwangsweise mit diesem Zug von Berlin nach Theresienstadt. Den zur Deportation eingeteilten Juden wurde befohlen selbst im Sammellager Große Hamburger Straße zu erscheinen oder sie wurden von der Gestapo und verpflichteten Mitgliedern des Judenrates mit Lastwagen von zu Hause abgeholt. Vermutlich wurde Marianne Brach am 13.9.1942 von ihrem Wohnhaus in das Sammellager Große Hamburger Straße überführt. Ihre bewohnten Zimmer im Haus Hartmannstr. 35 wurden versiegelt und die Wertgegenstände später durch einen Gerichtsvollzieher verwertet. Wer noch weiter im Haus wohnte oder danach einzog ist hier mit Sicherheit nicht nachzuvollziehen. Die Hausangestellte Frau Casparius blieb nach eigenen Angaben bis zum 28.1.1943 im Haus wohnen, tauchte danach unter und
überlebte die Shoah. Das Haus Hartmannstr. 35 wurde im 2. Weltkrieg durch Luftangriffe zerstört.

Spätestens im Sammellager Große Hamburger Straße wurde Marianne Brach genötigt eine Erklärung zu unterzeichnen, in der sie den Staat ermächtigte ihr noch gebliebenes Vermögen einzuziehen. Zuvor hatte sie einen sogenannten „Heimeinkaufsvertrag“ mit der „Reichsvereinigung der Juden“ schliessen müssen. Dieser Vertrag war unter Druck geschlossen worden und diente zum Abgreifen von Vermögenswerten zu Gunsten der Nationalsozialisten und zugleich zur Ruhigstellung der älteren Menschen vor dem „Reiseantritt“.

Der Transport in das Ghetto fuhr vom Bahnhof Putlitzstraße ab und erreichte Theresienstadt am 15.9.1942. Nur zehn Tage nach ihrer Festnahme verstarb Marianne Brach am 24.9.1942 im Ghetto Theresienstadt. Es ist davon auszugehen, dass sich Mutter und Tochter im Ghetto begegnet sind? Vielleicht durfte Edith in der Sterbestunde, gegen 15.00 Uhr, bei ihrer Mutter sein? Die in der Todesfallanzeige benannten Wohnräume Q304 und Q316 lassen es vermuten, da sie in räumlicher Nähe zueinander lagen. Die hygienischen-, medizinischen- und Ernährungsbedingungen waren im Ghetto entsetzlich und darauf ausgelegt, dass Leben der Inhaftierten so schnell wie möglich dem Tode zuzuführen. Einfach durch Unterlassung der notwendigen Versorgung. Für ältere Inhaftierte bestand kaum eine Chance zum Überleben. Das drei Ärzte den Tod bescheinigt hatten täuscht darüber hinweg, dass der aufopferungsvollen Ärzteschaft nicht genügend Medikamente und Nahrungsmittel zur Verfügung standen. Die Großdeportationen aus dem Reich im Sommer 1942 führten zur Überfüllung des Ghettos. An den ausgebrochenen Krankheiten und Seuchen starben in den Sommermonaten 1942 ca. 10.000 Häftlinge.

Tochter Edith verblieb bis zum 9.10.1944 in Theresienstadt und wurde anschließend in Auschwitz-Birkenau ermordet. Die Geschwister und weiteren Kinder von Marianne Brach überlebten die Shoah. Nach dem 2. Weltkrieg stellten sie als Erbengemeinschaft Anträge auf Wiedergutmachung bzw. Rückübertragung. Tragisch, dass einige von ihnen vor dem Vergleich bereits verstorben waren. Diese Verfahren wurden erst durch richterliche Klärung 1966 abgeschlossen. Glücklicherweise lebt die Familie in den Überlebenden und
deren Kindern in den USA, Brasilen und Israel weiter!

Quellen: Landesarchiv Berlin, Yadvashem Archiv, Ghetto Theresienstadt Archiv, Scheffler, Wolfgang, Der Brandanschlag im Berliner Lustgarten im Mai 1942 und seine Folgen, in: Jahrbuch des Landesarchivs, Berlin 1984 Landesarchiv Berlin, Arolsen Archiv, Schellenbacher, Wolfgang Armin (2010), Das Gesundheitswesen im Ghetto Theresienstadt, Universität Wien, ancestry.com

Klaus-Peter Schaal, 24.2.2023

Simon Braun

Simon Braun wurde am 19.6.1880, als erstes von fünf Kindern der jüdischen Eheleute Gutmann Braun und Sara Braun geb. Knopf, in Krakau (Polen) geboren. Wenig später zog die Familie nach Berlin. Nach Beendigung seiner Schulzeit auf der FriedrichswWerderschen-Oberrealschule in Berlin-Mitte und Beginn einer erfolgreichen Karriere als Unternehmer in der Konfektionsbranche schloss er am 5. Februar 1914 im Standesamt Schmargendorf die Ehe mit Edith Brach, die ebenfalls jüdischen Glaubens war. Als Familiensitz wurde eine Villa auf dem Grundstück Herwarthstr. 12a in Berlin-Lichterfelde Ost ausgewählt. Zwischen 1914 und 1926 wurden in dieser Ehe vier Söhne geboren. Ab 1922 beantragte Simon Braun die deutsche Staatsbürgerschaft. Diese wurde vermutlich 1923, nach Überwindung anfänglicher Hindernisse in der preußischen Verwaltung, der Familie verliehen.

Simon Braun war in diesen Jahren ein sehr erfolgreicher Unternehmer mit Beteiligungen in verschiedenen Handelsgesellschaften, sowie unter anderem als Geschäftsführer des bekannten Modehauses Louis Cohn jr., Tauentzienstr. 19a-b, tätig. Sein Unternehmertum wurde mit dem Titel Handelsrichter in der Berliner IHK gewürdigt. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten verschlechterte sich schlagartig die Lage der jüdischen Unternehmer und ihrer Unternehmungen insbesondere in der Konfektionsbranche. Bereits 1933 kam es zu großen Boykottaufrufen seitens der Nationalsozialisten, die sich bis zum Höhepunkt der Gewaltentladung in der Reichspogromnacht 1938 immer weiter gesteigert hatten. Auch das Geschäft Louis Cohn jr. war davon betroffen. Die Umsätze brachen ein und das Modegeschäft Louis Cohn jr. musste geschlossen und die Ware zu Schleuderpreisen verkauft werden. Die Angestellten erhielten Abfindungen aus dem Firmenvermögen. Der zwangsweise Verkauf des Modegeschäftes („die Arisierung“) wurde so gesteuert, dass für Simon Braun im Dezember 1938 kein Erlös aus dem Verkauf zur Auszahlung kam.

Wenig später im April 1939 musste ebenfalls die Familienvilla in der Herwarthstr. 12a zwangsweise verkauft werden. Simon und Edith Braun kamen im Elternhaus von Edith unter, in dem Marianne Brach, die Mutter von Edith, in der Hartmannstr. 35, als Witwe lebte. Im Mai 1942 hatte Goebbels im Berliner Lustgarten die Propagandaschau „Das Sowjetparadies“ stattfinden lassen. Am 18. Mai hatte die jüdische Widerstandsgruppe um Herbert Baum einen Brandanschlag auf diese Ausstellung verübt, bei dem jedoch nur
geringer Sachschaden entstand, so dass die Ausstellug bereits am Folgetag weitergeführt werden konnte. Die Mitglieder der Gruppe um Herbert Baum wurden sehr schnell gefasst und verurteilt. 28 von ihnen wurden ermordet und ca. 50 zu langen Haftstrafen verurteilt.

Die NS-Täter nahmen den Anschlag zum Anlass, Vergeltungsmaßnahmen gegen Menschen jüdischen Glaubens willkürlich zu verüben. Drei Maßnahmen wurden von der Gestapo durchgeführt:

  1. In Berlin verhaftete man 154 Juden, darunter Simon Braun, brachte sie in das KZSachsenhausen und erschoß sie dort ebenso, wie mindestens 96 bereits seit längerer Zeit dort befindliche jüdische Häftlinge.
  2. Angehörige der ermordeten 154 Juden wurden in verschiedenen Transporten in das Lager Theresienstadt verschleppt, so auch Edith Braun.
  3. 250 weitere Berliner Juden brachte man ebenfalls nach Sachsenhausen, von denen bis zum Oktober 1942 viele sterben mußten, während man den überlebenden Rest nach Auschwitz transportierte.


Simon Braun wurde am 27. Mai 1942, gegen 21.00 Uhr, in der Hartmannstr. 35 in Berlin Lichterfelde Ost durch Gestapobeamte festgenommen und am 28. Mai 1942 im KZ Sachsenhausen erschossen. Edith Braun wurde als Angehörige am 5.6.1942, mit dem Transport I/3, in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Am 9.10.1944 wurde sie von Theresienstadt nach Auschwitz deportiert. Der Zug kam dort am 12.10.1944 an.

Von den 1.600 Transportierten sind nur 42 Überlebende bekannt.

Marianne Brach wurde mit dem Transport I/65, am 14.9.1942, in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort verstarb sie nach 10 Tagen Inhaftierung am 24.9.1942.

Die Söhne von Edith und Simon Braun überlebten die Shoah in den Vereinigten Staaten!

Quellen: Landesarchiv Berlin, Arolsen Archiv, Yadvashem Archiv, Scheffler, Wolfgang, Der Brandanschlag im Berliner Lustgarten im Mai 1942 und seine Folgen, in: Jahrbuch des Landesarchivs, Berlin1984

Klaus-Peter Schaal, 12.2.2023

Richard Goldberg, der nach dem Ende des Ersten Weltkriegs als »Reisender in Textilien« für die Firma Friedlaender unterwegs war, wohnte mit seiner Ehefrau Alice und Tochter Gerda in der Kissinger Straße 17 in Berlin-Steglitz. Am 10. April 1937 stirbt seine Ehefrau Alice Goldberg. Richards Tochter Gerda tritt 1932 als kaufmännischer Lehrling bei der Firma Goldberg&Sander in Berlin ein Als die Firma im Mai 1938 »arisiert« wurden, verlor Gerda; bald darauf ihre Stellung. Am 10. Juli 1938 heiratet sie Emil Scheidlinger, im November 1938 wurde ihre Tochter Chana geboren. Emil emigriert 1938 nach Shanghai/China. Gerda folgt ihm 1940 mit ihrer gemeinsamen Tochter. Richard Goldberg musste seine Wohnung in der Kissinger Straße am 2. September 1941 verlassen und bezog als Untermieter ein möbliertes Zimmer in der »Judenwohnung« Würzburger Straße 7 bei Haymann. Er musste Zwangsarbeit leisten bei der Lack- und Farbenfabrik Warneck&Böhm in Berlin-Weissensee, später als »begleitender jüdischer Ordner« bei der Speditionsfirma Erich Scheffler in der Großen Präsidentenstraße 9. Am 30. Juni 1943 wird Richard Goldberg mit dem »93. Alterstransport« nach Theresienstadt deportiert.

Postkarte und Briefumschlag aus Archivakte der Entschädigungsbehörde des Landes Berlin
Postkarte und Briefumschlag aus Archivakte der Entschädigungsbehörde des Landes BerlinDie letzte Postkarte, die Richard Goldberg 1944 aus Theresienstadt, an seine Schwägerin Irma Plänitz in Berlin-Charlottenburg schickte, richtete er an die »Daheim Lieben!« Der vorgedruckte Text lautet: »Ich bestätige dankend den Empfang Ihres/Deines [unterstrichen] Paketes vom März 1944.«
Richard Goldberg
Vermögenserklärung vom 16.11.1942 aus dem Landeshauptarchiv PotsdamTrauriges Zeugnis einer vernichteten jüdischen Existenz

Als Sohn des Kaufmanns Bernhard Goldberg und seiner Frau Klara wird Richard Goldberg am 11. März 1888 in Neuhaus an der Elbe geboren. Er hat zwei Geschwister, Erna (geb. 16. Mai 1890) und Walter (geb. 23. März 1893), die später nach Hamburg ziehen. Richard geht nach Berlin. Am 9. Januar 1913 heiratet er Alice Friedmann, ihre Tochter Gerda kommt am 22. Mai 1916 zur Welt.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ist Richard Goldberg als »Reisender in Textilien« für die Firma Friedlaender unterwegs. Die Familie bewohnt eine »solide eingerichtete« 3-Zimmer-Wohnung in der Kissinger Straße 17 in Berlin-Steglitz. Am 10. April 1937 stirbt Alice Goldberg. Richard Goldberg muss die gutbürgerliche Wohnung am 2. September 1941 verlassen und bezieht als Untermieter ein möbliertes Zimmer in der »Judenwohnung« Würzburger Straße 7 bei Haymann. Er muss Zwangsarbeit leisten bei der Lack- und Farbenfabrik Warneck & Böhm in Berlin-Weißensee, später als »begleitender jüdischer Ordner« bei der Speditionsfirma Erich Scheffler in der Großen Präsidentenstraße 9.

Am 30. Juni 1943 wird Richard Goldberg mit dem »93. Alterstransport« nach Theresienstadt deportiert. In dem Schreiben der Geheimen Staatspolizei an den Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg vom 5. Juli 1943 mit dem Betreff »Evakuierte Juden« heißt es: »In der Anlage übersende ich eine Transportliste derjenigen Juden, deren Vermögen im Rahmen der Abschiebung dem Reiche angefallen ist.« Das Vermögen von Richard »Israel« Goldberg beträgt 25 Mark, er ist die Nr. 46 auf der Transportliste. Aus Theresienstadt schickt Richard Goldberg zwischen dem 17. November 1943 und 20. Juni 1944 vier Postkarten an seine Schwägerin Irma Plänitz in Berlin-Charlottenburg. Seine letzte Karte richtet er an die »Daheim Lieben!« Der vorgedruckte Text lautet: »Ich bestätige dankend den Empfang Ihres/Deines [unterstrichen] Paketes vom März 1944.«

Am 15. Mai 1944 wird Richard Goldberg mit dem Transport Dz 610 von Theresienstadt in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau »überstellt«. Dort wird er wahrscheinlich am Tag seiner Ankunft ermordet.

Recherche und Text: Jörg Hoop

Die Familie von Richard Goldberg

Gerda, Chana und Emil Scheidlinger & Erna und Walter Goldberg

Richards Tochter Gerda tritt 1932 als kaufmännischer Lehrling bei der Firma Goldberg & Sander in Berlin ein. Nach Abschluss ihrer dreijährigen Lehrzeit arbeitet sie dort als Kontoristin. Im Mai 1938 wird Goldmann & Sander »arisiert«; bald darauf verliert Gerda Goldberg ihre Stellung. Am 10. Juli 1938 heiratet sie Emil Scheidlinger (geb. 18. August 1910). Ihre Tochter Chana wird am 7. November 1938 in Berlin geboren. Emil emigriert 1938 nach Shanghai/China. Gerda folgt ihm 1940 mit ihrer gemeinsamen Tochter. Sie wohnen in der Carter Road 13 im japanischen Distrikt. Am 8. September 1947 reisen sie in die USA ein. Emil Scheidlinger stirbt am 1. November 1949 in einem Krankenhaus in San Francisco an einer »akuten Myocarditis, Virusaetiologie« als Folge »erlittener Verfolgungsmaßnahmen«.

Gerda verdient den Lebensunterhalt für sich und ihre kleine Tochter als Fabrikarbeiterin. Sie stirbt am 30. Januar 1987. Chana, die sich Hanni nennt, lebt bis zu ihrem Tod am 25. Januar 2009 in San Carlos, San Mateo, Kalifornien.

Richards Schwester Erna wird am 6. Dezember 1941 nach Riga-Jungfernhof deportiert; dort verliert sich ihre Spur. Walter Goldberg wird ins Ghetto nach Lodz deportiert und kommt dort am 1. April 1942 ums Leben. Für Erna und Walter Goldberg wurden 2013 in Hamburg Stolpersteine verlegt.

Recherche und Text: Jörg Hoop

Netzwerk Erinnerungskultur im Kirchenkreis Steglitz

ADRESSE c/o Ev. Lukas-Kirchengemeinde, Friedrichsruher Straße 6, 12167 Berlin    VORSITZ Pfarrerin Andrea Köppen, E-Mail

SPENDEN KKVB Berlin Süd-West | Evangelischen Bank eG | DE18 5206 0410 0003 9663 99  |  BIC GENODEF1EK1 | "Stolpersteine Steglitz"

Stolpersteine reinigen

Stolpersteine sind Wind und Wetter ausgesetzt und müssen in regelmäßigen Abständen gereinigt werden, da die Messingoberfläche unter feuchten Wetterbedingungen oxydiert.

Wenn Sie einen STOLPERSTEIN putzen und somit die Erinnerung blank polieren möchten, lesen Sie bitte vorher diese Anleitung.

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