Eine Frau mit Wirkung

Gabriele Wuttig-Perkowski

Pfarrerin Gabriele Wuttig-Perkowski geht in den Ruhestand

Unprätentiös und offen für Neues

In ihrem vorletzten Predigtpodcast zum 4. Advent sagt sie: „Der Glaube braucht Pflege und Zuwendung, wie ein kleines Kind“. Ein Satz als Testament. 32 Jahre lang war Gabriele Wuttig-Perkowski Pfarrerin der Patmos-Kirchengemeinde im Sprengel Steglitz-Nord. Als jahrelange Co-Vorsitzende des Haushaltsausschusses ist sie darüber hinaus wichtige Mitgestalterin im Kirchenkreis Steglitz. Man kennt sie als unprätentiös, souverän, freundlich und offen für Neues. Am Freitag, dem 6. Januar 2023 um 18 Uhr wird Gabriele Wuttig-Perkowski in einem festlichen Gottesdienst von Superintendent Thomas Seibt in den Ruhestand verabschiedet.

Die Bibel

Mit 14 war sie überzeugt, dass die Bibel nur was für alte Leute sei – und wenn die „ausgestorben“ wären, bräuchte man das dicke Buch nicht mehr. „An dieser Einstellung merke ich, dass da ein Stück Übersetzungsarbeit nicht gelungen ist“, sagt Gabriele Wuttig-Perkowski lachend. Und vielleicht hat sie aus diesem Grund bis heute hier ihren Fokus: Den Menschen die biblische Botschaft nahebringen und vermitteln, was für ein spannendes Buch die Bibel ist. Sie spüre in Gesprächen mit Erwachsenen immer wieder Gottesbilder auf, die nicht guttun, sagt Wuttig-Perkowski. Die Macht des Wortes sei nicht zu unterschätzen, vor allem, wenn es nicht in den richtigen Zusammenhang gebracht werde. Hier sei dauernde Aufklärungsarbeit nötig. „Mein Anliegen ist es, den Menschen die Schichten und Dimensionen der Bibel nahezubringen. Dass Gott den Namen Liebe trägt und sich in meinem eigenen Leben ereignet.“

Propheten versus Kommunisten

Aufgewachsen ist Gabriele Wuttig-Perkowski in Spandau zu einer Zeit, die durch den Einfluss des Kirchenreformers Ernst Lange geprägt war. In der Nathan-Söderblom-Gemeinde hatte sie bereits in den siebziger Jahren Konfirmandenunterricht im Kurssystem und war selten im Gottesdienst – war schließlich keine Pflicht – dafür umso häufiger in der Jugendgruppe. Dort wurde in einer hochpolitischen Zeit auch die Bibel unter wirtschaftlichen und politischen Gesichtspunkten gelesen. Später ging es ihr wie vielen jungen Leuten - die Kirchengemeinde hatte keinen Raum mehr in ihrem Leben. Und doch kam sie wieder auf sie zu, die Bibel, und hat ihren weiteren Weg mitgeprägt: Im Religionsunterricht der Oberstufe wurden die Propheten gelesen. Zu einer Zeit, als die kommunistischen Gruppierungen die Aufmerksamkeit junger Menschen fesselten, fand Wuttig-Perkowski plötzlich, dass die biblischen Propheten im Hinblick auf Gerechtigkeit viel radikaler waren, als die Kommunisten.

Das Fundament heißt Liebe

Irgendetwas muss auf jeden Fall hängen geblieben sein, denn Gabi Wuttig-Perkowskis erster Berufswunsch war Diakonin, der zweite Sozialpädagogin und schließlich dachte sie: „Du kannst eigentlich auch Theologie studieren.“ Zwar wurde sie nicht Jugendpfarrerin, wie ursprünglich gedacht, aber Jugendlichen etwas Tragendes mit auf den Weg geben, ist ihr immer wichtig gewesen. „Sie sollen verstehen, dass Liebe das Fundament von allem ist. Und dass Glaube und wissenschaftliche Erkenntnis sich nicht ausschließen, sondern zusammengehen können.“ In der Praxis sei das gar nicht so einfach. Zum Beispiel hätte sie Konfis gefragt, wie sich die Speisung der 5000 vollzogen haben könnte. Einer sagte „War halt Jesus“ und kategorisierte den Gottessohn kurzerhand als eine Art Magier. Darauf die Pfarrerin: „Und wenn ihr euch vorstellt, sie lagerten sich in Gruppen und jeder gab seinen kleinen Teil zum Essen dazu? Dann könnte es für alle reichen ...“, woraufhin ein Mädchen feststellte „Ach, so kann ich das verstehen!“. Das war schon mal ein Erfolg. Aber ihr größtes Lob in Sachen Feedback von Jugendlichen erhielt Gabriele Wuttig-Perkowski im vorletzten Konfirmationsgottesdienst: eine ehemalige Konfirmandin wollte zur Konfirmation ihres Bruders etwas sagen – eine junge Frau, die seit ihrer eigenen Einsegnung nicht mehr in der Gemeinde gewesen war. Und zu Wuttig-Perkowskis großer Überraschung erzählte sie der versammelten Gemeinde, dass ihre Konfizeit in Patmos mit den Gesprächen und Fahrten sie sehr geprägt hätte. Dort sei sie angeregt worden, sich mit ihrem Glauben auseinanderzusetzen und ihren eigenen Zugang dazu zu finden. Wenn das keine Goldmedaille ist!

Ordination in Patmos

Während ihres Vikariats war Wuttig-Perkowski zweimal wöchentlich im Praktisch-Theologischen Ausbildungsinstitut, wo die erlernte Theorie von den jungen politisierten und diskussionsfreudigen Theologinnen und Theologen laufend einem Praxischeck unterzogen wurde. Ihr Gemeindevikariat machte sie in der Neuköllner Genezareth-Gemeinde. Weitere Erfahrungen machte sie in der Arbeit mit Kindern in der Kreuzberger Tabor-Gemeinde und im Hendrik-Kraemer-Haus, einer niederländischen ökumenischen Basis-Gemeinde in Lichterfelde. Gabriele Wuttig-Perkowskis Ordination fand dann übrigens in der Patmos-Kirche statt, am 9. November 1985. Der Vikarskurs besuchte an diesem Tag vormittags den Gottesdienst in der Synagoge in der Pestalozzistraße und lud den damaligen Rabbiner Stein in den Ordinationsgottesdienst am Abend ein.

Gemeinde auf dem Weg

All diese Erfahrungen blieben nicht ohne Einfluss auf die spätere Gemeindepraxis – Dinge nicht unhinterfragt lassen, diskutieren, auch ein Fremdeln mit der traditionellen Liturgie gehörte dazu. Aber Gabriele Wuttig-Perkowski hatte Glück mit ihrer Patmos-Gemeinde: „Die Gemeinde war bereits sehr engagiert und auch schon einiges gewohnt, als ich kam und war gottesdienstlich auf dem Weg“, sagt sie. Geprägt vom ehemaligen Bischof Kurt Scharf, war die Gemeinde zusammen mit ihm den Weg vom traditionellen Abendmahlsverständnis zum voraussetzungslosen Abendmahl gegangen. Vielleicht besser zu verstehen am Beispiel des dreijährigen Juniors: Als ihr kleiner Sohn sie einmal zum Gottesdienst begleiten wollte und hörte „das wird ganz langweilig für dich“ fragte er zurück „Wieso, gibt es kein Abendmahl?“.

Am Sonntag nach dem 9. November 1989 hatte sie ihren Vorstellungsgottesdienst in Patmos gehalten - spontan kamen Gemeindeglieder der Partnergemeinde Am Fennpfuhl hinzu. Was für eine Zeit! 1990 sollte Kurt Scharf sie dann in ihren Dienst in der Patmos-Gemeinde einführen, leider verhinderte dies sein Tod Ende März des Jahres.

Immer wieder Neues

32 Jahre in Patmos und keine Langeweile? „Die Jahre waren von wechselnden Themen geprägt, sodass immer etwas neu wurde“, sagt sie. Bis 1998 arbeitete Wuttig-Perkowski mit einer halben Stelle und dem Schwerpunkt Kinder und Familien an der Seite ihres Kollegen Harry Perkiewicz. Als gespart werden musste, ging er in den vorzeitigen Ruhestand, um ihr Dableiben zu ermöglichen. Zwei Jahre lang war sie dann allein für alles zuständig, ab dem Jahr 2000 endlich mit einer vollen Stelle.

Eine Zäsur war auch die 40-Jahrfeier der Gemeinde 2003. Der Architekt Peter Lehrecke erläuterte seine theologischen Beweggründe bei der Gestaltung des Kirchbaus: „Das Wort Gottes ereignet sich in der Mitte der Gemeinde“. Darauf folgte eine neue Wahrnehmung der Architektur-Ikone Patmos. Nach dem Verständnis, dass Sonntag und Alltag zusammenhängen, wurden neue Gottesdienstformen ausprobiert, Wuttig-Perkowski erwarb in mehreren Fortbildungen das Zertifikat „Meisterklasse Predigt“ und wurde später Gottesdienst-Coach. „Hier ist so vieles möglich und auch selbstverständlich“, lobt sie ihre Gemeinde, „von der naturnahen Gartengestaltung bis zum offenen Haus“. Tatsächlich machte die Patmos-Gemeinde immer wieder mutige Schritte: als erste Steglitzer Gemeinde, die Menschen im Kirchenasyl aufnahm, als erste, die den Gemeindebrief durch Online-Kommunikation gepaart mit wohlüberlegten Printprodukten ersetzte, die erste mit einem digitalen Rundgang durch den Kirchraum.

Ab 2010 weitete Gabi Wuttig-Perkowski zudem ihren Wirkungsradius auf den Kirchenkreis aus: Sie wurde in den Pfarrkonventsausschuss gewählt, arbeitete im Beirat Öffentlichkeitsarbeit mit und übernahm 2016 mit einer Kollegin das umfangreiche Amt des Haushaltsausschussvorsitzes. Damit gehörte sie zu einer tragenden Säule im Kirchenkreis Steglitz.

Nach den ersten Monaten der Corona-Pandemie ging Gabriele Wuttig-Perkowski dann den Weg in die digitale Verkündigung: Sie recherchierte, bildete sich fort und entschied, dass das Podcast-Format ihr am meisten entspricht. 40 hörenswerte Folgen des PatmosPredigtPodcasts sind in gut zwei Jahren entstanden, die letzte erst vor wenigen Tagen zum Jahreswechsel.

Räume öffnen, Orte erhalten

Nun geht es in einen neuen Lebensabschnitt: „Es ist jetzt Zeit für Jüngere, zu übernehmen“, sagt sie „meine Nachfolgerin ist so alt wie ich war, als ich hier begann“. Sie freue sich auf Reisen mit ihrem Mann, Zeit für sich und ihre Kinder und Enkel. Dass sie jetzt spontan in eine Stadt fahren und eine Ausstellung ansehen könne, findet sie toll. Sie werde mal schauen, was dran sei. Der Kirche wünsche sie auf jeden Fall ein dauerndes Gespräch darüber, wie sie wirken könne, wie sie Räume öffnen und Orte erhalten könne, ohne dass überall ein Parallelprogramm laufen müsse, sagt Wuttig-Perkowski.

Standing Ovations

Ein Bild zum Schluss: Als Gabriele Wuttig-Perkowski 2016 nach einer Bewerbung in ihre Gemeinde zurückkehrte und im Gottesdienst mitteilte, dass sie in Patmos bleiben werde, ging ein langanhaltender Applaus wie ein warmer Regen auf sie nieder.

 

ubo

Gemeindezentrum mit der
Patmos-Kirche

Gritznerstraße 18-20, 12163 Berlin

Telefon 030 821 68 52
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Weitere Folgen des PatmosPredigtPodcasts von Gabriele Wuttig-Perkowski gibt es HIER

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